GKV-Chef Oliver Blatt warnt vor überfinanzierten Krankenhäusern und Reformverwässerung

Der neue Chef des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Oliver Blatt, hält die deutschen Krankenhäuser für ausreichend finanziert. Es bestehe eher die Gefahr der übertriebenen Geldausstattung, falls die zu Jahresbeginn in Kraft getretene Klinikreform noch einmal geändert werde, sagte Blatt der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Dienstagsausgabe).

Aus dem Sondervermögen des Bundes für die Infrastruktur erhielten die Hospitäler 2025 und 2026 insgesamt vier Milliarden Euro an Soforthilfen sowie von 2026 an 3,5 Milliarden Euro jährlich für den Umbau der Krankenhauslandschaft. „Wir müssen aufpassen, dass dieses Füllhorn nicht unkontrolliert über den Kliniken ausgeschüttet wird“, sagte Blatt, „denn dann werden die alten Strukturen konserviert, statt Veränderungen voranzutreiben.“

Inzwischen fließe jeder dritte Euro der GKV-Ausgaben an die Kliniken. „Sie erhalten von den Beitragszahlenden mehr als 100 Milliarden Euro im Jahr, das muss reichen“, stellte Blatt klar. „Für das Pflegebudget existiert gar keine Begrenzung mehr, wir bezahlen jede Kraft und jede Tariferhöhung.“

Der Verbandschef unterstützt, wie er sagte, die Grundzüge der Krankenhausreform. Sie sieht vor, das Angebot in der stationären Versorgung zu konzentrieren, die Qualität über einheitliche Leistungsgruppen zu erhöhen und Teile der Vergütung unabhängig von den Fallzahlen als Vorhaltepauschalen zu bezahlen.

Mit Verweis auf die Widerstände der Bundesländer gegen Standortschließungen und die Bereitschaft der neuen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU), die Reform noch einmal zu überarbeiten, sagte Blatt: „Wir brauchen nicht jede Klinik in Deutschland. Ich befürchte aber, dass die Reform verwässert wird, wenn Frau Warken sie wieder aufschnürt.“

Es sei ein Problem, wenn die Länder ihre Regionalpolitik über die Versorgungsqualität stellten. „Von einheitlichen Leistungsgruppen zur Qualitätssicherung dürfen wir nicht abweichen“, mahnte Blatt. „Und die Vorhaltepauschalen dürfen keinesfalls mit der Gießkanne fließen, sondern müssen sich am tatsächlichen Versorgungsbedarf orientieren.“

Blatt sprach sich zudem gegen Leistungskürzungen und gegen die Wiedereinführung einer Praxisgebühr aus. Die von der Koalition geplante Einführung eines Primärarztsystem zur ambulanten Versorgung hält er indes für richtig. „Der Ansatz stimmt, wir brauchen ein Primärversorgungssystem“, sagte er der Zeitung. Der Regierungsvorschlag sieht vor, dass Patienten vor dem Besuch von Fachärzten in vielen Fällen zunächst einen Hausarzt als erste einschätzende Anlaufstelle konsultieren müssen.

Bisher sei es so, dass es in manchen Disziplinen zwar ausreichend Fachleute gebe, der Zugang und die Zuweisung aber nicht funktionierten. „Zum Beispiel haben wir so viele Psychotherapeuten wie nirgendwo sonst, trotzdem warten zu viele zu lange auf einen Termin“, so Blatt. Auch komme es vor, dass Patienten ohne akute Notlage die Rettungstransporte und die Notaufnahmen blockierten.

„Solche Fehlallokationen führen zu Geldverschwendung, sind unsozial und gefährlich“, sagte der studierte Volkswirt. „Es muss möglich sein, die Patienten besser zu steuern. Das erhöht die Versorgungsqualität, spart Geld und bedeutet eben gerade keine Leistungskürzung.“ Voraussetzung für ein Primärarztsystem sei aber „eine unabhängige Terminvermittlung, die nach Dringlichkeit entscheidet und nicht danach, ob man gesetzlich oder privat versichert ist“.

Foto: via dts Nachrichtenagentur

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