Hans-Jürgen Papier fordert Reform der Richterwahl am Bundesverfassungsgericht

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier fordert ein anderes Vorgehen bei der Aufstellung von Kandidaten für die Richterposten in Karlsruhe.

„Das Problem liegt meines Erachtens nicht in der gesetzlichen Regelung des Wahlvorgangs, sondern in der vor Jahrzehnten eingeführten Handhabung durch die parteipolitische Praxis“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Dienstag).

„Ohne jede gesetzliche Grundlage haben sich die damaligen großen Volksparteien, also CDU/CSU einerseits und SPD andererseits, sogenannte Vorschlagsrechte eingeräumt und diese dann mit den jeweiligen kleinen Koalitionspartnern FDP und Grünen geteilt. Diese starre Verteilung von überkommenen Vorschlagsrechten an etablierte Parteien kann so nicht aufrechterhalten werden.“

Papier sagte: „Sie entspricht nicht den Realitäten der Zusammensetzung des Parlaments und ignoriert die inzwischen eingetretenen Veränderungen und Fragmentierungen der deutschen Parteienlandschaft. Ihre Aufrechterhaltung kann dazu führen, dass die Wahl der Verfassungsrichter ständig in ein parteipolitisches Gezänk ausartet. Das schadete zweifellos dem Ansehen und der Autorität des Bundesverfassungsgerichts.“

Er fügte hinzu: „Die Richterstellen des Bundesverfassungsgerichts sind keine Erbhöfe. Die Parteien sollten insgesamt auf ihre überkommenen, sogenannten Vorschlagsrechte verzichten.“ Papier schlug vor: „Die zwölf Mitglieder des Wahlausschusses des Bundestages, die nach den Grundsätzen der Verhältniswahl vom Plenum gewählt werden, müssen sich in vertraulicher und sachbezogener Beratung auf Vorschläge einigen, die dann im Plenum zur Wahl gestellt werden. Diese Personalvorschläge des nichtöffentlich beratenden Wahlausschusses trügen nicht den Stempel eines formellen Parteikandidaten als Ergebnis eines abgesprochenen Parteiproporzes.“

Der Ex-Verfassungsgerichtspräsident unterstrich: „Nach der gesetzlichen Regelung kann jedes Mitglied des Wahlausschusses einen Vorschlag machen, der dann allerdings acht der zwölf Stimmen auf sich vereinen müsste. Die Vertraulichkeit des Verfahrens im Wahlausschuss könnte sachbezogene Verständigungen erleichtern und eine öffentliche Diskreditierung von Kandidaten verhindern.“

Foto: via dts Nachrichtenagentur

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