Norbert Röttgen kritisiert deutsche Nahostpolitik als gescheitert und fordert grundlegende Veränderungen

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen hat die deutsche Nahostpolitik für „gescheitert“ erklärt und „grundsätzliche Veränderungen“ gefordert.

„Wir in Deutschland verwechseln Außenpolitik permanent mit der Diskussion rechtlicher oder ethischer Fragen“, sagte Röttgen, der als stellvertretender Fraktionsvorsitzender für die Außenpolitik zuständig ist, der FAS. Mit völkerrechtlichen Bewertungen übe man keinen Einfluss aus. Er argumentierte, dass das Völkerrecht für die deutsche Außenpolitik wichtig sei, aber nur „ein Interesse neben anderen, die in Konfliktsituationen bestehen“.

Alle Parteien müssten jetzt Schlüsse daraus ziehen, dass das bisherige Vorgehen nichts bewirkt habe, und in eine politische Diskussion eintreten. „Wo ist eigentlich die deutsche Außenpolitik, die auf das Verhalten der Akteure in der Region Einfluss nimmt – in unserem Interesse und nach unseren Vorstellungen? Das findet gar nicht statt. Wenn Sie sich fragen, was die Nahostpolitik der Bundesregierung der letzten fünf Jahre – ich gehe hier bewusst über die Ampelkoalition hinaus – bewirkt hat, muss man feststellen: praktisch gar nichts. Wenn es zu einem Konflikt kommt, sehen wir unsere Rolle darin, völkerrechtliche Bewertungen vorzunehmen. Außenpolitischen Einfluss üben wir damit nicht aus.“

Röttgen trat Kritikern Israels entgegen, die den Angriff auf den Iran als Bruch internationaler Rechtsnormen ablehnten: „Einen klaren Völkerrechtsbruch zu sehen, das geht nur unter Ausblendung des gesamten Bedrohungsszenarios durch Iran“, sagte Röttgen. Die militärische Hilfe Washingtons bezeichnete er als „legitime Risikoentscheidung“. Die USA hätten „entschieden, den Schritt zu machen, und sie werden im Nachhinein darin bestätigt, weil es jetzt einen Waffenstillstand gibt und weil die Diplomatie neu beginnen kann“.

Im Blick auf den Nato-Gipfel in dieser Woche sagte Röttgen, dass die vereinbarte materielle Aufrüstung nicht ausreiche, um Wehrhaftigkeit herzustellen. Es bedürfe auch „einer geistigen Kultur, einer strategischen Kultur“. Um diese stünde es „noch schlechter als um unsere materiellen und personellen Verteidigungsressourcen“. Eine geistige, strategische Kultur werde sich nur entwickeln, „wenn es eine politische Führung im Land gibt, die diese Kultur lebt und vorlebt.“

Röttgen widersprach Äußerungen aus Brüssel, denen zufolge die EU stärker als weltpolitischer Akteur in Erscheinung treten solle. „Ich bin dezidiert nicht dieser Auffassung. Wir müssen erst mal Sicherheit in Europa gewährleisten können. Bevor wir das erledigt haben, würde ich es für strategische Überdehnung halten, weitere globale Ziele für deutsche und europäische Sicherheitspolitik zu definieren“, sagte er. „Jetzt geht es erst einmal darum, europäische Regional- und Sicherheitsmacht zu werden. Das ist eine neue historische Rolle, nachdem die Nachkriegszeit geprägt war durch Amerika als die primäre europäische Sicherheitsmacht.“

Foto: via dts Nachrichtenagentur

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