
Die SPD erhöht den Druck auf die deutsche Außenpolitik, sich der von 28 Staaten unterschriebenen Forderung nach einem sofortigen Ende des Gaza-Kriegs und der Beschränkung von Hilfslieferungen anzuschließen.
SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sagte dem TV-Sender „Welt“ zur Begründung: „Für uns ist einfach die Maxime, dass das Völkerrecht gewahrt wird, dass das internationale Recht gewahrt wird. Und aus unserer Sicht überschreitet das Kriegsgeschehen jetzt eben dieses Recht.“
Die SPD habe „über viele Monate das Handeln Israels im Gazastreifen kritisiert, weil wir einfach sehen, dass die Zivilbevölkerung so stark in Mitleidenschaft dieser Kriegshandlung gezogen wird, dass wir das nicht mehr vertreten können“. Doch das habe keine Wirkung gehabt. Klüssendorf weiter: „Deswegen glaube ich schon, dass, wenn Länder wie Frankreich oder Großbritannien so eine Erklärung unterschreiben, man sich die Frage stellen muss, warum Deutschland sie nicht unterzeichnet. Denn uns alle muss ja bewegen, dass dieses Leiden ein Ende hat. Und deswegen würde ich mich freuen, wenn wir auch solche internationalen Aktivitäten unterstützen.“
Den Hinweis, dass die Zuständigkeit für die Außenpolitik mit Kanzler Friedrich Merz und Außenminister Johann Wadephul bei der CDU liege, wollte der SPD-Generalsekretär nicht gelten lassen: „Wir geben ja nicht unsere Haltung an der Garderobe des Kabinettssaals ab. Wir haben eine Haltung dazu und wir weisen darauf hin.“ Klüssendorf weiter: „Das ist eine Auseinandersetzung, die wir führen müssen.“
Der SPD-Politiker sagte gleichzeitig: „Wir stehen zum israelischen Staat. Das ist unstrittig. Und wir wissen auch, dass die Hamas Ausgangspunkt dieser Eskalation ist. Das steht außer Frage.“ Aber: „Wenn wir jetzt eine israelische Regierung, die aus unserer Sicht gegen Völkerrecht verstößt, kritisieren, verabschieden wir uns ja nicht von der grundsätzlichen Zusammenarbeit mit Israel und mit dem Staat.“
Einem generellen Waffenembargo gegen Israel erteilte Klüssendorf eine Absage: „Es ist absolut richtig, dass wir auch ganz klar zur Verteidigungsfähigkeit von Israel beitragen. Und das haben wir in der Vergangenheit über viele, viele Jahre getan.“ Der SPD gehe es darum, ob deutsche Waffen in Gaza eingesetzt würden: „Und da ist für uns die ganz klare Haltung, dass sie das nicht dürfen.“
Auch im Auswärtigen Amt wächst der Unmut über die Israelpolitik der Bundesregierung. Nach „Spiegel“-Informationen haben sich rund 130 Diplomaten zu einer Gruppe zusammengeschlossen, die eine härtere Gangart gegen die israelische Regierung fordert. Sie treffen sich in unregelmäßigen Abständen und kommunizieren über Chatkanäle. Ihr Motto lautet: „loyal nonkonform“. Es sind hauptsächlich Diplomaten am Anfang ihrer Karriere, die meisten zwischen 30 und 40 Jahre alt, Attachés, Referenten, stellvertretende Referatsleiter.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts bestätigte dem „Spiegel“ die Existenz der Abweichlergruppe. Die beiden Staatssekretäre Géza von Geyr und Bernhard Kotsch seien „kurz nach Amtsantritt der neuen Regierung zu einem informellen Gedankenaustausch mit der Gruppe zusammengekommen“, ein Treffen mit Außenminister Wadephul ist in Planung. Auf der letzten Personalversammlung Anfang Juli trug eine Referentin die Position der Gruppe Minister Johann Wadephul vor und wurde von den Kollegen mit Applaus bedacht.
Die Abweichler schlagen vor, im Ministerium einen „Dissent Channel“ einzurichten. Ein solcher Kanal für abweichende Meinungen existiert beispielsweise im US-Außenministerium. Beamte können auf diesem Weg die offizielle Regierungspolitik kritisieren, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen, so war es jedenfalls bis zur zweiten Amtszeit von Donald Trump.
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