
Gesundheitsforscher schlagen Alarm wegen des wachsenden Erfolgs alkoholischer Fertigmixgetränke in Deutschland. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ (Samstagausgabe) berichtet, erinnert die Entwicklung Experten an den umstrittenen Alkopops-Boom der 2000er Jahre.
Die Branche hat mit Spirituosen-Mixgetränken in den vergangenen zwölf Monaten bis Juli 2025 einen Umsatz von mehr als 715 Millionen Euro erzielt, zitiert das Blatt Daten des Marktforschungsinstituts Nielsen IQ. Der Umsatz sei demnach in nur zwei Jahren um 20 Prozent gestiegen (Umsatzzahlen: Juli 2022-Juni 2023: 595,2 Millionen Euro; Juli 2023-Juli 2024: 684,9 Millionen Euro; Juli 2024-Juni 2025: 715,5 Millionen Euro).
„Das ist das gleiche Problem wie in den Nullerjahren“, sagte Tobias Effertz, der an der Universität Hamburg zu den volkswirtschaftlichen Kosten des Alkoholkonsums forscht, der Zeitung. „Starke Süße wird mit Alkohol kombiniert. Das macht es Jugendlichen leichter, das zu konsumieren. Die Situation ist sogar gefährlicher geworden, der Alkoholgehalt ist jetzt höher.“
Auffällig sei, dass die neuen Mixgetränke stets einen Alkoholgehalt von zehn Prozent aufwiesen. Effertz sieht darin eine Lücke im Alkopopsteuergesetz von 2004. Die damalige rot-grüne Bundesregierung hatte Alkopops mit einer Strafsteuer belegt, die bis zu einem Alkoholgehalt von zehn Prozent greift – exakt der Wert der neuen Mischgetränke, die damit nicht von der Strafsteuer betroffen sind.
Der Forscher forderte eine Reform der Alkopopsteuer. „Man muss den Steuertarif gleitend gestalten: Die Steuer steigt, wenn mehr Alkohol enthalten ist“, so Effertz. Würden die Deutschen weniger Alkohol trinken, könnten Milliarden im Gesundheitssystem eingespart werden.
Das Bundesgesundheitsministerium wollte sich dem Bericht zufolge nicht konkret zu einer möglichen Reform äußern. Eine Sprecherin verwies lediglich auf Aufklärungs- und Informationsarbeit als Instrument der Alkoholprävention.
Marktforscher Andreas Heim von Nielsen IQ bezeichnete die Spirituosen-Mischgetränke als wachsende Kategorie der Alkoholindustrie. Die konsumfertigen Dosen sprächen „vor allem jüngere Zielgruppen“ an, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“.
Die Spirituosenbranche wies laut SZ Kritik zurück und verwies darauf, dass ihre Produkte gegenüber Bier und Wein wegen der Alkoholsteuer (früher: Branntweinsteuer) bereits steuerlich im Nachteil seien.
Foto: via dts Nachrichtenagentur