Linksfraktionschef Pellmann fordert offeneren Umgang mit Stress und Krankheit in der Politik nach Herzinfarkt

Nach seinem Herzinfarkt fordert Linksfraktionschef Sören Pellmann einen offeneren Umgang mit Stress und Belastung in der Politik. „Viele Abgeordnete denken, das betreffe sie nicht. Krankheit ist in der Politik wie in der Gesellschaft ein Tabu, ob psychisch oder organisch, Abhängigkeit erst recht“, sagte Pellmann der „Welt“.

Pellmann erlebte im Juli einen Herzinfarkt nach Fraktionsterminen in Nordrhein-Westfalen. Im Hotel habe er Druck in der Brust. „Meine Smartwatch zeigte einen Puls von 159 an. Keine Stunde nach meiner Ankunft in der Klinik lag ich auf der Intensivstation und war schon operiert“, so der Leipziger Bundestagsabgeordnete. Über einen Katheter sei ihm ein Stent in eine Arterie gesetzt worden. „Das war krass. Hätte ich die Anzeichen nicht ernst genommen, hätte ich die Nacht wohl nicht überlebt.“

Der Linken-Politiker berichtet, durch Sport und Ernährung 22 Kilogramm an Gewicht abgenommen zu haben. Zuletzt machten unter anderem der frühere SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sowie der SPD-Bundestagsabgeordnete auch gesundheitliche Gründe für ihren Rückzug aus der Spitzenpolitik verantwortlich.

Politik bringe Risikofaktoren wie „ungesunde, unregelmäßige Ernährung, zu wenig Bewegung und Stress“ mit sich. „In Bundestags-Sitzungswochen hat man locker zehn, elf, zwölf Termine am Tag, keine Pausen, keine Auszeit. Man hetzt von Gespräch zu Termin zur Rede im Parlament“, sagte Pellmann. „Durch soziale Medien ist das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen, gestiegen.“

Die Allgegenwärtigkeit von Alkohol verstärke die Gefahren von Dauerstress und öffentlicher Beobachtung, so Pellmann. „Man kann in Sitzungswochen von Empfang zu Empfang ziehen und Wein oder Bier trinken. Wenn man bei Abendempfängen ein Glas Wasser oder Saft trinkt, heißt es schnell: Der ist eine Spaßbremse. Oder: Der hat ein Problem mit Alkohol“, sagte der Linken-Politiker. „Ich denke, es gibt hohe Dunkelziffer an Politikern, die eine Abhängigkeit entwickeln.“

Er habe lange überlegt, ob er seine Erkrankung überhaupt öffentlich machen solle. „Im Büro gab es andere Meinungen: Du zeigst damit Schwäche, du wirkst nicht belastbar, der politische Gegner könnte das ausnutzen“, fasste Pellmann die Bedenken zusammen. Doch bis auf wenige Social-Media-Beiträge habe es nur Zuspruch und Genesungswünsche gegeben, so Pellmann. „Manche wollen sogar Abnehmtipps.“

Foto: via dts Nachrichtenagentur

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