Die Ermittlungen im Fall des getöteten Jungen aus Güstrow laufen weiter auf Hochtouren. Nach dem Fund einer Kinderleiche in einem Waldstück bei Klein Upahl am Dienstag gehen Polizei und Staatsanwaltschaft mittlerweile recht sicher davon aus, dass es sich um den achtjährigen Fabian L. handelt, der seit dem vergangenen Freitag vermisst wurde. Die endgültige Bestätigung steht noch aus – eine DNA-Analyse soll in den kommenden Tagen Klarheit bringen. Auch die rechtsmedizinische Untersuchung soll Hinweise auf die Todesursache und mögliche Spuren des Täters liefern. Die Angehörigen sahen sich nicht imstande, die Leiche des Jungen in Augenschein zu nehmen und zu identifizieren.
Nach Angaben der Ermittler spricht vieles für ein Gewaltverbrechen. Am Fundort, der sich rund 15 Kilometer vom Wohnhaus der Familie des toten Jungens entfernt befindet, wurden Spuren gesichert und das Gebiet weiträumig abgesperrt. „Wir gehen nach aktuellem Stand von einem Fremdverschulden aus“, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Rostock mit. Zur möglichen Todesursache äußerte sich die Behörde bislang nicht. Medienberichte, wonach der Körper des Kindes Brandspuren aufgewiesen habe, wurden von offizieller Seite weder bestätigt noch dementiert.
Die Polizei arbeitet nach eigenen Angaben mit allen verfügbaren Kräften aus Mecklenburg-Vorpommern. Kriminaltechniker, Fährtenhunde und Forensiker sind weiterhin im Einsatz, um das Umfeld des Fundorts zu untersuchen. Auch die Auswertung von Fabians Smartphone gilt als ein möglicher Schlüssel zur Tataufklärung: Wer hatte zuletzt Kontakt mit dem Kind, welche Bewegungen lassen sich rekonstruieren, und gibt es Hinweise auf ein geplantes Treffen – das sind die Fragen.
Parallel laufen Befragungen im familiären und schulischen Umfeld, um das Geschehen vor Fabians Verschwinden besser zu verstehen. Am Dienstagabend versammelten sich rund 700 Menschen in der Güstrower Marienkirche, um dem Jungen zu gedenken. Viele brachten Kerzen, Blumen und Kuscheltiere mit, vor der Kirche bildete sich ein Meer aus Lichtern. Die Andacht war ursprünglich als Fürbitte für Fabians sichere Rückkehr geplant – doch nach dem Leichenfund wurde sie zu einem Gedenkgottesdienst.
Bürgermeister Sascha Zimmermann (FDP) sprach von einem unfassbaren Verlust, der die ganze Stadt getroffen habe. Der Pastor nannte den Tod des Kindes „eine schreckliche Gewissheit, die uns alle erschüttert“. Auch Fabians Mitschüler und Fußballfreunde vom ETSV Güstrow nahmen Anteil und brachen während des Gottesdienstes immer wieder in Tränen aus. Für die Familie wurde eine Spendenkollekte gesammelt.
Fabian war am Freitagabend als vermisst gemeldet worden. Laut Polizei hatte er am Nachmittag mit Zustimmung seiner Mutter das Haus verlassen, kehrte jedoch nicht zur vereinbarten Zeit zurück. Zunächst hatte die Familie versucht, ihn selbst zu erreichen, ehe sie gegen 20:30 Uhr die Polizei alarmierte.
In den darauffolgenden Tagen durchkämmten mehr als hundert Einsatzkräfte Wälder, Felder und Gewässer rund um Güstrow. Auch Drohnen mit Wärmebildkameras, Polizeihubschrauber und Spürhunde kamen zum Einsatz. Hinweise aus der Bevölkerung führten zwischenzeitlich zu Suchaktionen bei Zehna und am Inselsee, wo Leichenspürhunde angeschlagen hatten. Dort suchten Taucher die Umgebung ab, jedoch ohne Erfolg.
Am Dienstagvormittag stieß schließlich eine Spaziergängerin in einem abgelegenen Waldgebiet bei Klein Upahl auf den leblosen Körper des Kindes. Der Fundort liegt rund zehn Kilometer vom Ort entfernt, an dem die Hunde zuletzt Fährte aufgenommen hatten. Nach dem Fund wurde die Umgebung sofort abgesperrt, und Spezialisten der Spurensicherung begannen mit der Untersuchung des Geländes.
Die Eltern des Jungen wurden noch am Dienstag informiert. Laut Polizei gibt es bislang keine Hinweise darauf, dass das Kind weggelaufen ist oder sich versteckt hielt. „Wir stehen am Anfang eines komplexen Ermittlungsverfahrens“, sagte ein Ermittler.
Die Nachricht vom Tod des Achtjährigen hat weit über Güstrow hinaus Bestürzung ausgelöst. In den sozialen Netzwerken bekundeten Menschen aus dem ganzen Bundesland ihre Anteilnahme. Auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) äußerte sich betroffen: Die Nachricht mache sie „tief traurig“, ihr Mitgefühl gelte Fabians Familie.
In der Stadt selbst herrscht Verunsicherung. Viele Eltern sagen, sie hätten Angst, ihre Kinder allein nach draußen gehen zu lassen. „Man denkt immer, so etwas passiert irgendwo anders – bis es plötzlich direkt vor der eigenen Haustür geschieht“, sagte eine Mutter vor der Kirche.
Noch ist unklar, wie Fabian zu dem Waldgebiet gelangte und ob er sein Zuhause freiwillig verließ oder dorthin gelockt wurde. Auch über mögliche Tatverdächtige machten die Ermittler bislang keine Angaben. Die Polizei bittet weiterhin um Hinweise aus der Bevölkerung. Die Ergebnisse der Obduktion und des DNA-Tests sollen in den kommenden Tagen veröffentlicht werden.
Während die Ermittlungen in Güstrow laufen, sucht die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern seit Mittwochnachmittag nach einem weiteren vermissten Kind: Ein 13-jähriger Junge aus Wismar wird seit Dienstagabend (14. Oktober) vermiss. Nach Angaben der Polizeiinspektion Wismar blieb die Suche bisher ohne Ergebnis. Die Beamten bitten unter der Telefonnummer 03841 203-0 um Hinweise aus der Bevölkerung. Ein Zusammenhang zu dem Fall von Güstrow wurde von den Ermittlern nicht hergestellt. Wismar ist etwa 45 Kilometer von Güstrow entfernt.
Foto: via dts Nachrichtenagentur

